Es ist tatsächlich so, selbst wenn ich an den Pluspol der Fahrzeugbatterie (Hochvolt-Batterie) käme (Was nicht klappt, der ist selbst abgesteckt vollständig berührgeschützt), bekäme ich keinen elektrischen Schlag. Aber warum ist das so?

Kurze Antwort: Weil kein Stromkreis geschlossen wird.

Um das näher zu verstehen müssen wir ein bisschen auf die Grundlagen der Netzsysteme eingehen, aus dem klassischen Niederspannungsnetz. Dies ist auch ein Kapitel in unseren Hochvoltschulungen nach DGUV I 209-093.

Zu merken: Stromnetzsysteme dienen der Versorgung der Verbraucher mit elektrischer Energie. Dies kennen Fachkundige für Hochvolt genauso wie Elektrofachkräfte nach VDE.

Die verschiedenen Netzsystemarten gliedern sich in unterschiedliche Varianten von Niederspannungsnetzen. Diese gehen zum Teil über notwendige spannungs- und stromführende Leitungen, welche rein technische Funktionen erfüllen sollen, hinaus. Das Thema Hochvolt ist ein bisschen was anderes, orientiert sich aber in vielen Punkten an der Niederspannung. In der Niederspannung werden elektrische Netze nach folgenden Kriterien unterschieden:

  • Stromart, also Wechsel- oder Gleichstromsystem.
  • Art der aktiven Leiter (zum Beispiel L1, L2 und L3, oder L-Plus und L-Minus).
  • Art der Erdverbindung des Systems.

Hierbei ist die Wahl der Erdverbindung entscheidend, denn diese bestimmt maßgeblich die Eigenschaften sowie das sicherheitsrelevante Verhalten des Netzes. Zudem beeinflusst es Aspekte der Nutzung, welche sich auf folgende Faktoren auswirken:

  • Versorgungssicherheit.
  • Installationsaufwand.
  • Wartungsaufwand.Stillstandzeiten der Instandhaltung.
  • Elektromagnetische Verträglichkeit – kurz EMV.

Im Zuge der sicherheitstechnischen Beurteilung wird zwischen diversen Netzformen unterschieden. Die Unterschiede bilden hierbei die Anzahl der aktiven Leiter sowie die Endungspunkte. Insbesondere Art und Lage der Erdungen sind dabei von zentraler Bedeutung. Die grundsätzlichen Netzformen lassen sich unterteilen in:

  • TT-Netz.
  • TN-Netze, unterteilt in
    • TN-C-Netz,
    • TN-S-Netz,
    • TN-C-S-Netz.
  • IT-Netz.

TT-Netzsystem

Zu merken: In TT-Systemen ist ein Punkt direkt geerdet. Dies nennt sich Betriebserdung. Die Körper der elektrischen Anlage sind hierbei mit Erdern verbunden, welche elektrisch vom Erder für die Erdung des Systems unabhängig operieren.

Das bedeutet, dass es zwischen Anlagenerdung und Versorgungserdung keine Leitungsverbindung gibt.

Zulässige Schutzeinrichtungen hierfür sind:

  • Überstromschutzeinrichtung.
  • Fehlerstromschutzeinrichtungen (RCDs).

TN-Netzsysteme

Zu merken: In TN-Systemen ist ein Punkt direkt geerdet. Die Körper der elektrischen Anlage sind über Schutzleiter mit diesem Punkt verbunden.

Entsprechend der Anordnung der Neutralleiter sowie der Schutzleiter sind drei Arten von TN-Systemen zu unterscheiden:

  • TN-C Netz: Im gesamten System sind die Funktionen der Neutralleiter und Schutzleiter in einem einzigen Leiter kombiniert.
  • TN-S Netz: Im gesamten System wird ein getrennter Schutzleiter angewendet.
  • TN-C-S Netz: In einem Teil des Systems sind die Funktionen des Neutralleiters und des Schutzleiters in einem einzigen Leiter kombiniert.

IT-Netzsystem

Spoileralarm, jetzt kommen wir zum Hochvoltrelevanten!

Zu merken: In IT-Systemen sind entweder alle aktiven Leiter von Erde getrennt oder ein Punkt ist über eine Impedanz mit Erde verbunden.

Bei einem Isolationsfehler kann daher nur ein kleiner, im Wesentlichen durch die Netzableitkapazität verursachter, Fehlerstrom fließen; die vorgeschalteten Sicherungen sprechen nicht an. Die Spannungsversorgung bleibt jedoch auch bei einpoligem, direktem Erdschluss erhalten. Die Körper der elektrischen Anlage sind entweder

  • einzeln geerdet oder
  • gemeinsam geerdet oder
  • gemeinsam mit der Erdung des Systems verbunden.

Folgende Schutzeinrichtungen sind bei IT-Netzen zulässig:

  • lsowächter bzw. IMD.
  • Überstromschutzeinrichtungen.
  • RCD beziehungsweise FI in Einzelstromkreisen.

Der große Vorteil des IT-Netzes ist, dass ein einzelner Fehler nicht zum Abschalten des Systems führt und dank des Isowächters zudem frühzeitig erkannt wird.

IT-Systeme finden sich beispielsweise:

  • Im Operationssaal im Krankenhaus.
  • Im Triebwagen der Bahn.
  • Als Explosionsschutz im Bergbau.
  • Bei sensibler Industrieproduktion.
  • Bei Photovoltaiksystemen auf Generatorseite.
  • In angepasster Form im Hochvoltsystem von Elektrofahrzeugen.   (Ja, genau hier!)

Zusammengefasst lässt sich somit über das IT-System sagen:

  • Ein erster lsolationsfehler führt nicht zur Abschaltung durch eine Sicherung.
  • Ein erster lsolationsfehler führt auch nicht zur Abschaltung durch einen Fehlerstromschutzschalter.
  • Ein Isowächter ermittelt einen zu geringen lsolationswiderstand.
  • Ein lsolationsfehler sollte schnellstmöglich beseitigt werden, bevor es zu einem zweiten lsolationsfehler an einem anderen aktiven Leiter kommt, was zum Ausfall des Netzes führen würde.

Wie jede Fachkundige Person für Hochvolt wissen muss: Das Hochvoltnetz im Fahrzeug ist ein IT-ähnliches Netzsystem

Moment, nur ein IT-ähnliches Netz? Warum ist das Netz im Elektrofahrzeug nur IT-ähnlich und kein echtes IT-Netz?

Nun, das “T” steht für Erde. Und solange das Hochvoltfahrzeug keinen ein Meter tiefen Pflug hinter sich zieht, ist es nicht geerdet. Deswegen shcließt die fachkundige Person Hochvolt alle Gehäuse von allen Hochvoltkomponentenüber Potentialausgleich an die Fahrzeugkarosserie an, da die Masse der Fahrzeugkarosserie statt der Erde verwendet wird. Damit haben wir keine echte Erde und auch kein echtes IT-Netz. Und mit der Fahrzeugmasse als Erdungseratz handelt es sich beim Hochvolt-Fahrzeug lediglich um ein  IT-ählniches Netz.

Wenn also jemand an den Pluspol der Hochvoltbatterie fassen sollte, schließt er in einem IT-ähnlichen Netz keinen Stromkreis. Natürlich sollte das KEINESFALLS gemacht werden. Und der zweite Fehler ist nach wie vor gefährlich! Ohne eine entsprechende Qualifizierung zur Fachkundigen Person für Hochvolt sind Tätigkeiten am HV-System unzulässig.

PS: Unsere Empfehlung hierzu: Es werden von verschiedenen Anbietern auch Kurse, wie z. B. der genannte Kurs “Fachkundige Person für Hochvolt” oder auch der kleine Lehrgang zur Fachkundig unterwiesenen Person für Hochvolt. Mehr Informationen hierzu stellen wir Ihnen auf unserer Homepage www.tcs-engineering.de zur Verfügung, wir bieten unterschiedliche offene Seminare als auch kundenspezifische Inhouseseminare an.

Unser kostenloses (WIRKLICH kostenlos, auch OHNE Emailadresse angebene zu müssen!) Paper “6 Dinge, die Sie über die Hochvoltqualifizierung Ihrer Mitarbeiter im Voraus wissen müssen” ist hier erreichbar (klick). 

Wenn Sie mehr über die unterschiedlichen Rollen, insbesondere die der Verantwortlichkeiten und besonders die der VEFK und deren Zusammenspiel wissen wollen, empfehle ich Ihnen unsere Publikationen, beispielsweise das Hörbuch „Die Verantwortliche Elektrofachkraft: VEFK-Struktur und Betriebliche Elektrosicherheit für Unternehmer, Fach- und Führungskräfte“. Informationen und Bezugsquellen finden Sie auf den gängigen Hörbuchportalen sowie auf der Homepage tcs-engineering.de

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